Römer, Russen und Roulette

Zweimal war er im Amtsblatt angekündigt worden, der kulturgeschichtliche Stadtrundgang durch Baden-Baden, zu dem die Deutsch-Russische Gesellschaft eingeladen hatte und der von Hanno Hafner mit seinen fundierten Kenntnissen souverän geleitet wurde. 10 Interessenten hatten sich dazu am Samstag vor dem Kurhaus in Baden-Baden eingefunden.
Der Spaziergang begann mit einer Führung durch die größte und älteste Spielbank Deutschlands (und wenn man Marlene Dietrich glauben will, auch „die schönste Spielbank der Welt“), im 1824 von Friedrich Weinbrenner erbauten Kurhaus. 1838 übernimmt der Pariser Spielbankpächter Jacques Bénazet das Casino. Nach dem Tod seines Vaters führt Edouard Bénazet die Spielbank weiter. 1858 ruft Edouard die Iffezheimer Rennen ins Leben. In unmittelbarer Nähe seines Casinos ließ er 1862 ein respektables Theater bauen, eine kleine Replik der Grande Opera de Paris.
Doch zurück zur Spielbank: 1872 verfügt die Reichsregierung die Schließung aller deutschen Spielbanken. 1933 wird der Spielbankbetrieb wieder aufgenommen. Erneute Schließung des Casinos in der Endphase des 2. Weltkrieges, 1944. Am 01.04.1950 erfolgt die feierliche Eröffnung der „dritten“ Baden-Badener Spielbank. Anschließend wird die ebenfalls von Weinbrenner erbaute Trinkhalle besucht und das nicht sehr wohlschmeckende Wasser aus dem dort sprudelnden Brunnen probiert.
Befand die Gruppe sich bis hierher außerhalb der ehemaligen Stadtmauer, begab sie sich nun über die Oos, bis zum 19. Jahrhundert die Grenze der Diözesen Speyer und Straßburg, vorbei am 1808 von Weinbrenner erbauten Palais Hamilton (Lady Hamilton war die Geliebte des englischen Admirals H. Nelson), der heutigen Stadtsparkasse, zum Leopoldsplatz, wo früher ein Stadttor stand. Von dort weiter in die Sophienstraße, wo kurz vor einem Haus innehalten wurde, an dem eine kleine Tafel darauf hinweist, dass dort der russische Dichter Wassilij Andrejewitsch Schukowsky (1783 – 1852) eine Zeit lang gewohnt hat. Schukowsky ist bekannt für seine einfühlsamen Übersetzungen und Bearbeitungen u.a. von Werken Schillers und Goethes, aber auch für seine Übersetzung Homers aus der deutschen in die russische Sprache.
Nun kommt man an ein Haus in der Bäderstraße 2, an dem eine Büste und eine Gedenktafel an den großen russischen Dichter Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij (1821-1881) erinnert. 1863 weilte er zum ersten Mal in Baden-Baden. Sein beliebtester Aufenthaltsort war die Spielbank. Er verlor alles, auch seine Lebensgefährtin Polina Suslova, die sehr unter seiner Spiel­sucht litt und sich deshalb von ihm trennte. Danach kehrte er nach Russland zurück und verarbeitete seine Erlebnisse in dem weltberühmten Roman „Der Spieler“, der viel Autobiografisches aufweist. Diesen Roman diktierte er in 2 Tagen einer jungen Stenotypistin, Anna Grigorjewna Snitkina. Er verliebte sich in sie und heiratete sie. 1867 besuchte er mit ihr auf der „Hochzeitsreise“ erneut Baden-Baden. Sie wohnten in einer bescheidenen Wohnung, in eben diesem Dostojewskij-Haus.

Weiter geht es, vorbei an der von dem Ettlinger Bildhauer Oskar Alexander Kiefer geschaffenen und in seinen Proportionen etwas seltsam wirkenden Bismarck-Standbild, in den Innenhof des Stadtmuseums Baldreit, einer aus der Zeit um 1500 erhaltenen Badeherberge (Baldreit).

Auf dem Weg zur Stiftskirche kommt man auf den Markt, auf dem das Rathaus steht, ein ehemaliges, in der Zeit der Gegenreformation von den Jesuiten gegründetes Kolleg. Zur selben Zeit entstand auch in Ettlingen das Jesuiten-Kolleg, das heutige Finanzamt.

In der Stiftskirche „erschlägt“ einen fast das Prunkepitaph für Markgraf Ludwig Wilhelm, den Türkenlouis (1655-1707). Der Feldherr steht, den Marschallstab in der Hand auf seiner Grabtumba und ist umgeben von Allegorien und Emblemen, die den Türkenbesieger verherrlichen. Beherrscht wird das Innere der Kirche aber durch ein hohes Sandsteinkruzifix, das eine exponierte Stelle am Altarplatz im Chor einnimmt. Es ist ein Werk des spätgotische Naturalismus. Schöpfer ist der niederländische Künstler Nicolaus Gerhaert von Leyden. Es gilt als eines der bedeutendste Kunstwerke dieser Epoche im oberrheinischen Gebiet. Der Künstler schuf es in einer Straßburger Werkstatt, wo er von 1463 bis 1467 wirkte. Der ursprüngliche Standort war auf dem ehemaligen Friedhof hinter der Spitalkirche. Erst 1967 wurde es in der Stiftskirche aufgestellt.

Aus der Kirche kommend wendete die Gruppe ihre Schritte zum Alten Dampfbad. Auf dem gepflasterten Marktplatz weisen schwarze Pflastersteine auf die Ausdehnung der darunter liegenden Ruinen de römischen Kaiserbades hin, welches 213 bis 217 n.Chr. im Auftrag des römische Kaisers Caracalla gebaut wurde. Auf der Weg zu den wesentlich einfacher ausgestatteten Soldatenbädern (die in Ettlingen unterhalb der Martinskirche befindliche Ruinen sind ebenfalls römische Badeanlagen und wurden zur selben Zeit wie die in Baden-Baden errichtet) unterhalb de Friedrichbades kommt man an der Friedrichsquelle vorbei, wo aus 2000 m Tief 63° heißes Wasser kommt. An der darunter liegenden Faulquelle kann auch diese Wasser probiert werden.

Durch die Lichtentaler Allee geht es weite zu der von Max Laeuger im Jugendstil ertworfenen und erbauten Gönneranlage, einer Gartenanlage mit 167 verschiedene Rosenarten.

Ein Blick wurde noch in die 1880 erbaute russische Kirche, deren goldene Kuppel ei­nen schon von weitem entgegenleuchtete, geworfen. Durch die sehr fundierten Kenntnisse von Hanno Hafner haben die Teilnehmer an diesem kulturgeschichtli­chen Stadtrundgang sehr viel Neues von Baden-Baden kennen gelernt.

Im Übrigen hat sich die Deutsch-Russische Gesellschaft Ettlingen u.a. auf das Banner geschrieben, Orte aufzusuchen, die mit Russland in Verbindung zu bringen sind. Wie wäre es mit einer Exkursion nach Darmstadt, Herkunft der Prinzessin Alice von Hessen-Darmstadt, die 1894 mit dem letzten Zaren Nikolaus II. vermählt wurde und in Russland Alexandra Fjodorowna hieß?

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