Wolga Workcamp 2016

Nie wieder darf es Krieg geben“

Der Waldstetter Gebhard Betz legte den Grundstein für den Förderverein Kinderheim Malachowa in Tutajev/Russland. Mit einer defekten Heizungsanlage fing alles an.

Es darf nie wieder Kriege geben.“ Mit diesem innigen Wunsch kehrte der Waldstetter Gebhard Betz aus russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimat zurück. Jahrzehntelang konnte er über seine schlimmen Erlebnisse nicht sprechen – nicht mit seiner Frau, nicht mit seinen Töchtern. Irmhild Betz-Haberstock erinnert sich noch gut an die Nächte, in denen ihr Vater geschrien hat.

Auch wenn er nicht über diese Zeit reden konnte, vergessen hat er sie nie. Nachts kamen die Erinnerungen zurück. Auch mit seiner Frau Ortrud hat Gebhard Betz 30 Jahre lang nicht über den Krieg gesprochen. Die Zeit, in denen sie ihren Mann aus seinen Albträumen geweckt hat, sind Ortrud Betz noch lebhaft in Erinnerung.

Erst als der Maschinenbauingenieur im Ruhestand war, begann er, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Mitte der 90er-Jahre suchte er eine russische Übersetzerin, die durch ihre Übersetzung beim Entlassungsverhör seine Rückkehr in die Heimat ermöglichte. Mit Unterstützung von Dirk Sager, ZDF-Korrespondent in Russland, wurde in der Jaroslawler Zeitung, dem Ort des letzten Verhörs, ein Artikel über die Suche veröffentlicht. Die Frau wurde nicht gefunden, aber es meldeten sich Menschen aus der Nachbarstadt Tutajev. Es war der Anfang vieler Freundschaften, die bis heute bestehen. Und es war der Grundstein für den „Förderverein Kinderheim Malachowa in Tutajev / Russland”.

Gebhard Betz betrat fünfzig Jahre nach seiner Gefangenschaft wieder russischen Boden. 1998 lernte Familie Betz in Russland Anatoli Woronin, den Rektor eines Kinderheims aus Malachowa, kennen. „Die Heizungsanlage des Kinderheims war defekt – und das vor dem Winter. Die Verzweiflung war groß“, erzählt Irmhild Betz- Haberstock. Eine Spendenaktion wurde gestartet. Als später auch noch ein Holzhaus abbrannte, entstand die Idee, ein Steinhaus zu bauen. Der Förderverein wurde im Mai 2000 auf den Weg gebracht. Der damalige Waldstetter Bürgermeister Rainer Barth übernahm in den ersten Jahren den Vorsitz. 2003 konnte das neue Haus fertiggestellt werden.

In der folgenden Zeit wurden Pakete im Haus in Waldstetten gesammelt und zwischengelagert, Transporte nach Russland organisiert. „Jedes zweite Jahr haben wir den größten LKW gemietet um Schränke, Decken, Matratzen und vieles mehr nach Russland zu bringen“, erzählt Ortrud Betz. Sie selber war mehrere Male in Tutajew, der Stadt, die beidseitig der Wolga liegt. Auf der einen Seite mit sehr guter Infrastruktur durch die staatlichen Motorenwerke, auf der anderen das Gegenteil mit ärmlichen Verhältnissen. Genau zwischen Tutajew und Jaroslawl liegt das Kinderheim Malachowa.

70 Schals hat Ortrud Betz einmal für die Kinder gestrickt – und Mützen. „Die Menschen dort sind meine Freunde“, beschreibt sie. „Es sind ganz liebe Menschen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind.“ 2007 kaufte der Waldstetter Verein in Tutajev ein altes russisches Holzhaus, das zum Freundschaftshaus für die Jugend der Welt hergerichtet wurde. Es heißt heute „Freundschaftshaus Gebhard Betz“. 2006 starb Gebhard Betz.

Das Jugendhaus hat er nicht mehr erlebt. Seit 2009 bauen deutsche und russische Jugendliche an der Erweiterung des Hauses. Ein regelmäßiger Jugendaustausch ist seitdem entstanden, der von Irmhild Betz- Haberstock mit viel Herzblut und Engagement organisiert und begleitet wird.

„Nie wieder darf es Krieg geben. Das hat sich mein Vater so sehr gewünscht“, meint sie. „Und er war fest davon überzeugt, dass eine Versöhnung nur durch Kennenlernen erreicht werden kann“. Und damit könne man doch bei der Jugend anfangen.

Ein neues Projekt wurde 2014 gestartet. Als Erinnerung an die Entstehung des ersten Hauses im Kinderheim Malachowa: 1938 als Heimat für Kinder aus Spanien gebaut, die vor dem Franko Regime geflohen sind, 1942/43 Heimat für die Kinder aus St. Petersburg, die der Belagerung von Leningrad durch die Deutsche Armee entkommen konnten, und schließlich Heimat für die Kinder aus Tutajev und Umgebung, die kein Zuhause mehr hatten. Dieses baufällige Haus gibt es heute nicht mehr. An seiner Stelle soll ein neues Haus entstehen. Und es soll mit Leben, Freude und Glück gefüllt werden.

Dafür gibt es einen neuen Plan. Denn nur noch fünf Kinder leben heute in Malachowa, 25 Mitarbeiter wurden entlassen. Der Grund: Russland will ein Land ohne Kinderheime werden. Die Waisen werden in Familien untergebracht, die Regierung bezahlt für jedes Kind.

„Nachdem wir in Malachowa zwei Häuser gebaut haben, wäre es möglich, Waisen und behinderte Kinder dort unterzubringen“, erklärt Irmhild Betz-Haberstock. Das Heim soll behindertengerecht umgebaut werden, mit Werkstätten, in denen Waisen, Behinderte und Dorfkinder gemeinsam arbeiten. Ute Betz

© Gmünder Tagespost 17.12.2015 13:37:28

Teilnehmer aus Ettlingen, Simon Bach

„Inzwischen habe ich auch schon Nachricht von Simon bekommen, dass er in einer sehr netten Familie untergebracht ist. Es gefällt ihm wohl super gut. Meine Bedenken, dass es für ihn mit 16 Jahren noch etwas zu früh ist, bei einem solchen Projekt mitzumachen, sind inzwischen weg. Er ist wirklich ein Sonnenschein und integriert sich gut.“

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