Umbettungen in Gatschina

Ein emotionaler Moment

Während der Besatzung von Gatschina (Krasnogwardeisk, Lindemannstadt)  im Zeitraum vom  September 1941  bis Januar 1944 wurden die verstorbenen Soldaten der Wehrmacht auf verschiedenen Plätzen in Gatschina begraben.
Mit dem deutsch-russischen Kriegsgräberabkommen vom 16.12.1992 wurden Umbettungen in den großen Friedhof Sologubowka möglich.

Den nachfolgenden Brief über die Umbettung eines in Gatschina gestorbenen deutschen Soldaten in seine Heimatstadt Chemnitz erhielten wir von wenigen Tagen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge pflegt weltweit etwa 2 Millionen Kriegsgräber, darunter auch den Soldatenfriedhof in Sologubowka (Leningrader Gebiet). Ein wichtiger Bestandteil seiner Tätigkeit sind dabei auch Umbettungen. Lisa Lemke ist Gruppenleiterin für den Abschnitt Nordwest-Russland.

Liebe Frau Lemke, sehr geehrte Damen und Herren,

Ende 2010 haben Sie es ermöglicht, dass mein Großvater, Herr Kurt Scheibner, der im Winter 41/42 an der Belagerung von Leningrad teilnehmen musste und wie Hunderttausende in der eingeschlossenen Stadt an den Folgen seiner Erfrierungen starb, in seine Heimat nach Chemnitz überführt werden
konnte. Am 21.4.2011 durften wir ihn dann neben seiner Frau und seinem ältesten Sohn auf dem St.-Andreas-Friedhof in Chemnitz zur letzten Ruhe betten. Dass so etwas nach fast siebzig Jahren noch möglich ist, hätte ich am Beginn meiner Suche nach meinem Großvater, Ende 2007, nicht für möglich gehalten. Auf diesem Weg haben Sie mich ein Stück begleitet und unterstützt. Sie all haben nicht nur Ihre Arbeit getan, sondern jede meiner Anfragen und Bitten stets schnellstmöglich und sehr ausführlich beantwortet und somit die Grundlagen für die erfolgreiche Heimatüberführung geschaffen.
Herr Laier von der deutsch-russischen Gesellschaft in Ettlingen hat in seiner Partnerstadt Gatschina (früher Stadt der Rotgardisten, Krasnogwardeisk) an Umbettungen teilgenommen. Durch ihn habe ich das erste Mal ein Kriegsgräbergrab gesehen und was von einem Menschen nach so einer langen Zeit noch übrig ist. Er hat mir auch den Namen von Frau Lemke genannt. Sie war es dann auch, die die Umbettungen auf dem Friedhof, auf dem mein Großvater lag, veranlasst hat. Nachdem die Toten geborgen waren, bekam ich von ihr die Nachricht, dass mein Großvater gefunden wurde. Dies war einer der emotionalsten Momente für mich.
Danach lernte ich Herrn Nickel vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge kennen, der mir das Merkblatt für die Heimatüberführung schickte und erklärte. Nun lernte ich Frau Schmidt von das WAST (Wehrmachtsauskunftsstelle) kennen. Frau Schmidt stellte mir in kürzester Zeit die erforderliche Zustimmung für die Heimatüberführung aus. Als nächster war nun Herr Heinzerling vom BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) dran. Von ihm benötigte ich die Genehmigung zur Heimatüberführung. Nach nur einem Tag hatte ich diese vorab per Mail. Die letzte im „Behördenbund“ war Frau Wandscheer, die für das Auswärtige Amt tätig ist und den Kontakt mit den russischen Behörden vor Ort herstellte. Nachdem auch der St.-Andreas-Friedhof in Chemnitz seine Zustimmung gegeben hatte, waren keine weiteren Papiere notwendig. Ihnen allen vielen Dank für die schnelle Bearbeitung.
Den Rest hat Frau Lemke ganz allein bewältigt, die kleine zierliche Russin, die sich auf ganz großartige Weise in ihrer Arbeit für die Völkerverständigung verdient macht. Sie haben meinen Großvater in ihren Privat-Pkw gepackt, in eine deutsche Fahne eingewickelt und über Finnland und die halbe Ostsee zu uns nach Rostock gebracht. Dass Sie, als
gebürtige St. Petersburgerin, sich so für die Aufarbeitung unserer gemeinsamen Geschichte einsetzen, kann nicht hoch genug gelobt werden. Ihnen gilt mein aller größter Respekt und auch Ihnen möchte ich nochmals im Namen meiner gesamten Familie meinen Dank aussprechen.


Mit besten Grüßen
Jan Scheibner

Januar 2012

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