Stafetten Lauf von Ettlingen nach Gatschina

Menschen am Wegesrand über „verrückte“ Stafettenläufer begeistert.

Schweißtropfen fielen fast wie Regen vom Körper

Albert Olbrechts und Ingeborg Dubac übergaben Urkunde der Stadt Ettlingen an Partnerstadt Gatschina

Wasser und nochmals Wasser war das begehrteste Lebensmittel beim 2 500-KilometerAbenteuerlauf der Ettlinger Stafettenläufer in die Partnerstadt Gatschina. Superlative nicht nur bei der Streckenlänge für die 25 Läufer vom ESV-Lauftreff und des SC 88 Bruchhausen: An keinem der zwölf Lauf tage regnete es. Hochsommerliche Temperaturen ließen den Schweiß bei den Sportlern fast wie Regen fallen. Das hunderliterweise in den Begleitbussen gebunkerte Sprudelwasser und Isotonicgetränk war schon bald in der glühenden Hitze „verdampft“. Die Straßen in den russischen Weiten zogen sich schier endlos, fast schnurgerade von Polen, Litauen und Lettland kommend Richtung Sankt Petersburg hin. Staubwolken, Lastwagenruß mischten sich mit Frischluft der Wälder. Von Kilometer zu Kilometer wuchsen durch harten Straßenuntergrund die Wadenschmerzen. Dann wieder klebten die Sportschuhe im Teer der durch die glühende Hitze aufgeweichten Straßen. Einen „Guinnessbuch“-verdächtigen Rekord legten die Begleitfahrzeuge des DRK hin: Bereitschaftsführerin Renate Steinmann und ihre Mannen fuhren im Schrittempo die ganze Strecke als Schutz vor dem Auto- und Lkw-Verkehr mit Blinklicht im Meterabstand hinter den zwölf bis 14 Kilometer schnellen Läufern her. Und unterwegs war teilweise eine Stimmung und Begeisterung der Menschen an Straßenrand über die „verrückten“ Deutschen wie bei der Tour de France. In Görlitz holte eine polnische Sportlergruppe – in Löbau waren noch fünf Läufer aus der dortigen Ettlinger Partnerstadt dazugestoßen – beim Grenzübertritt das Team um Initiator Albert Olbrechts ab. Sachsenradio und polnisches Fernsehen verliehen dem Sport- und Völkerfreundschaftsereignis zusätzliche Bedeutung. Beifall auf offener Szene. Bei Kilometer 1 800 an der polnisch-litauischen Grenze hatte sich ein Pkw-Rückstau von über 30 Kilometern gebildet. Für die Friedensläufer kein Hindernis. Während normal Reisende über zehn Stunden Wartezeit in Kauf nahmen, hatte sich die Kunde von der Ankunft des Trosses schon verbreitet. Fast ohne Halt öffneten sich den Läufern und ihren Fahrzeugen die Schlagbäume. In Litauen und Lettland begann die Zeit des Versorgungsmangels. Benzin war auf dem Schwarzmarkt eher als an den offiziellen Zapfsäulen erhältlich. Einer der bewegendsten Augenblicke beim Übertritt von Lettland nach Rußland. Eine Gruppe alter Frauen empfing die Gäste aus dem fernen Deutschland spontan mit Friedensgruß und Volksliedern, die tiefe Herzlichkeit ausdrückten. Die Freunde aus der Partnerstadt Gatschina nahmen hier ihre deutschen Gäste in Empfang. 40 russische Läufer waren gekommen, um die Ettlinger die letzten 400 Kilometer nach Gatschina zu begleiten. Die Sprachbarriere wurde durch die gemeinsame sportliche Aktivität überwunden: „Wir sind Bein an Bein gelaufen und haben Seele an Seele gearbeitet.“ Beim Einlauf in die ehemalige Zarenresidenz Gatschina war die „Uliza Zentral“, die Hauptstraße, für die Läufergruppe gesperrt, der Straßenverkehr ruhte für wenige Minuten. In ein dunkelrotes Fahnenmeer war das Eingangstor zum Spartakstadion gehüllt. Die laufenden Deutschen begrüßte die Stadtkapelle mit einer zünftigen, an Guggemusik erinnernden Intonation des Deutschlandliedes. Die Repräsentanten der Stadt mit dem Vorsitzenden des Stadtsowjets Lebedew und Oberstadtdirektor Bogdanov hatten sich zum Willkommen vor der Tribüne und einigen leicht im Winde wehenden Fahnen Rußlands, Deutschlands und der Stadt Ettlingen aufgebaut. Albert Olbrechts und Ingeborg Dubac übergaben die im Staffelstab mitgeführte Urkunde der Stadt Ettlingen. Als Zeichen der Gastfreundschaft reichte eine junge Russin in Folkloretracht auf einem Teller Albert Olbrechts Brot und Salz. Der Vorsitzende des Sportausschusses von Gatschina, Nicolai Sergewitch, ehrte die Ettlinger Sportler für ihre herausragende Leistung mit einem Pokal. Beim Empfang am folgenden Tag im Rathaus von Gatschina hob Viktor Lebedew hervor, daß gerade Kontakte auf sportlicher Ebene am besten geeignet seien, die Partnerschaft zwischen Ettlingen und Gatschina zu vertiefen. Bleibt nur noch zu erwähnen, daß der Vorsitzende der Deutsch-Russischen Gesellschaft von Gatschina, Viktor Schutilow, eigens für den Besuch der Deutschen ein Partnerschaftslied mit dem „vielsagenden“ Titel „Oh Ettlingen, Oh Gatschina“ komponiert hatte. Unterwegs an den ostpreußischen masurischen Seen war den Läufern in der Nacht ein Wildschwein und ein leibhaftiger Elch über den Weg gelaufen und dann, sozusagen als Höhepunkt überraschender Begegnungen des Nonstop-Stafettenlaufs, kreuzte man den Weg einer französischen Stafettenläufergruppe, die auf dem Weg von Paris in ihre Moskauer Partnerstadt war. BNN vom 08.1992, Johannes-Christoph Weis

Der Lauftreff Ettlingen startete am 15. Juli 1992 mit 24 Läufern den 5-Länder-Stafettenlauf über 2.400 km Ein Jahr später erwiderte eine russische Sportlergruppe die gleiche Strecke in umgekehrter Richtung und erreichte Ettlingen rechtzeitig zum Stadtfest. 5 Läufer des OSC Löbau beteiligen sich an beiden Stafetten.

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