Projekt „Demokratie leben“

ZWANGSARBEITER IN ETTLINGEN IM DRITTEN REICH

Foto: Das Projektteam „Zwangsarbeiter in Ettlingen“

Andreas Schulz: „Mitten im Alltag waren 3.000 Menschen“

„Im Jahr 2000 richtete die Bundesregierung die Stiftung – Erinnerung, Verantwortung und Zukunft – ein, die das Ziel hat ehemalige NS-Zwangsarbeiter finanziell zu entschädigen“, so Andreas Schulz, Fachreferent der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg im vollen Kirchenschiff der Paulusgemeinde Ettlingen. Pfarrer Dr. Weidhas sprach sich in seinem Grußwort für Menschlichkeit und gelebte Erinnerungskultur aus. Eingeladen hatte die Deutsch-Russische Gesellschaft Ettlingen e.V. und die Europa-Union Albgau zusammen mit der Landeszentrale. „In unserer Stadt gab es zwischen 1939 und 1945 rund 3.000 Menschen, die zur Zwangsarbeit in 250 Ettlinger Betrieben gezwungen wurden“, so einleitend Gerhard Laier, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Gesellschaft. Nach der geschichtlichen Aufarbeitung mit Hilfe der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg, Abteilung Gedenkstätten, wurde das Projekt nach dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ gefördert. „Dieses Programm“, so Laier dann weiter: „hat zum Ziel Diskriminierung, Menschhass und Extremismus mit präventiven Partnerschaften für Demokratie samt der Förderung der demokratischen Kultur bei Jugendlichen durchzuführen“.

Die Jugend sagt: „Nie wieder!“
Schulz hielt ein spannendes Impulsreferat, das bei den Schülerinnen und Schülern des Karlsbader Gymnasiums, der Wilhelm-Röpke-Schule und Austauschschülern aus Gatschina gut ankam. Einige Fragen wurden von den Jugendlichen während des Vortrags und bei der Diskussion gestellt. Er erläuterte ergänzend: „Die Betriebe nahmen die Zwangsarbeiter dankend auf. Sie fanden sich in Ettlingen neben den Arbeitslagern und Einsatzorten in der Kriegswirtschaft auch in der Stadtverwaltung, im Handel wie in handwerklichen Betrieben – das heißt: mitten im Alltag!“ Aber er verdeutlichte auch: „Zwangsarbeit im NS-Regime fing meines Erachtens bereits viel früher an. Sie ist bereits von vornherein in der Ideologie der Diktatur angelegt“, so Schulz. Von der Zwangsarbeit betroffen seien deswegen neben rassistisch, sozial und politisch Verfolgten auch ausländische Zivilarbeiter, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs mit zahlreichen Versprechungen für die Arbeit im Reich angeworben wurden seien, und Kriegsgefangene der Wehrmacht, denen man versprach, dass sie durch das Ableisten von Arbeit früher aus der Haft entlassen würden. Mit Kriegsbeginn bekam die Arbeit, die die Zwangsarbeiter in Lagern verrichten müssten, immer mehr eine Doppelfunktion: Sie dient der Aufrechterhaltung von deutschen Betrieben, wie auch der Wirtschafts- und Kriegsförderung – denn viele arbeitsfähige Deutsche sind an der Front, während die Kriegsindustrie in der Heimat am Laufen gehalten werden mussten – und sie diente schlichtweg der massenhaften Vernichtung von Menschen.

Ettlingen schaut nicht weg!
Für Thomas Fedrow, Bürgermeister a.D., war diese Veranstaltung wichtig, da bisher Zwangsarbeitern auf dem Friedhof Ettlingen und im Stadtbewusstsein nur am Rande gedacht und erinnert wurde. „Aus diesem Grunde sind Herr Behringer vom Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazismus Ettlingen, Herr Laier von der Dt.-Russ. Gesellschaft Ettlingen e.V. sowie und Herr Weber vom DGB auf ihn vor rund 1 ½ Jahre zugekommen, um die Gedenkstätte zu sanieren und mit einer Gedenktafel zu versehen“. Fedrow gerührt: „Ich danke herzlich diesen drei Menschen, die sich im Sinne bester Erinnerungskultur für das Andenken dieser geknechtet Menschen posthum eingesetzt haben!“ Fedrow wörtlich: „Nieder mit den Unterdrückern des Dritten Reiches, jetzt stehen die Erniedrigten im Vordergrund! Wir entschuldigen uns aufrichtig und mit Respekt für in Ettlingen erleidetes Unrecht.
Schulz lobte abschließend die Initiative: „Wir haben vielleicht gerade heute Sichtbarkeit, die eine offizielle Anerkennung und Aufarbeitung in Ettlingen so lange Zeit verhindert hatte. Neben der kollektiven Erinnerung existierte lange Zeit das Phänomen der kollektiven Verdrängung“.

Schülerinnen aus Gatschina lesen aus den Niederschriften ehemaliger Zwangsarbeiterinnen vor
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