Gründung der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft Ettlingen e.V.

Am 11.11.1988 wurde der Antrag gestellt, die Begründung einer Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der Sowjetunion auf die Tagesordnung des Gemeinderates zu setzen.
Dieser Antrag wurde am 14.12.88 im Gemeinderat behandelt und angenommen.
Der Deutsche Städtetag hatte schon am 7.12.88 die Stadt Ettlingen dahingehend informiert, dass zu der bisherigen Gepflogenheit der Vermittlung einer Partnerstadt durch die „Sowjetische Gesellschaft für Freundschaft und kulturelle Beziehungen mit dem Ausland“, es durchaus möglich sei, in direkter Kontaktnahme mit sowjetischen Städten partnerschaftliche Beziehungen zu knüpfen.
Um die Umsetzung des Beschlusses des Gemeinderates zu erleichtern, und um eine spätere Partnerschaft mit Leben erfüllen zu können, wurde am 26. Januar 1989 zur Gründungsversammlung der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft Ettlingen e. V. eingeladen. Ungefähr 70 Interessierte waren der Einladung gefolgt, diskutierten die vorgeschlagene
Satzung und zeigten sich von der Idee begeistert.
Etwa 50 Personen aus Ettlingen und der näheren Umgebung schrieben sich an diesem Abend sofort als Mitglieder ein.
Die Gründungsversammlung wählte Herrn Dr. Rüdiger Dierkesmann zum Vorsitzenden, die Herren Siegwarth und Foss zu gleichberechtigten Stellvertretern; Schriftführer Herr Köhler; Kassenwart Herr Rapke; Beisitzer Frau Haupt, Frau Schmidt, Frau Langensteiner, die Herren Dick, Faas, Hafner, Lorch, Wölfle.
Die neugegründete Deutsch-Sowjetische Gesellschaft Ettlingen e. V. führte vom 23.04. bis zum 30.04.89 ihre erste Reise in die Sowjetunion durch. Ziel es, in der Nähe von Leningrad (gut mit dem Flugzeug zu erreichen!)sich nach einer geeigneten
Partnerstadt umzuschauen. Die Stadt Pawlowsk wird zunächst vorgeschlagen, und da Leningrader Freunde bei der dortigen Stadtverwaltung schon vorgefühlt hatten und eine große Bereitschaft zu erkennen war, besucht die Gruppe diese Stadt und wird auch sehr herzlich von der Vorsitzenden des Exekutivkomitees und anderen Vertretern der Stadt empfangen. Es zeigt sich aber bald, dass Pawlowsk nicht die Voraussetzungen erfüllt, die man benötigt, um eine Partnerschaft mit Leben zu erfüllen. Der Hauptgrund ist der, dass Pawlowsk durch seine allzu große Nähe an Leningrad und Puschkin über so gut wie keine eigene Infrastruktur verfügt, es gibt kein Hotel, nicht einmal ein Restaurant. Zu besichtigen ist lediglich das zugegebenermaßen prachtvolle Schloss und der Park.
Von russischer Seite bekommen wir den Hinweis, dass sich andere Städte, die ebenfalls in unmittelbarer Nähe liegen, besser zur Partnerstadt eignen. Eine kleine Gruppe unternimmt eine kurze Besichtigungstour nach Sestrorezk (25 km nordwestlich von Leningrad, am Meer gelegen) und nach Gatschina (З5 km südlich von Leningrad). Wir sind von Gatschina begeistert und der Vorstand besucht unangemeldet die Stadtverwaltung. Man begegnet uns höflich, aber reserviert. Einige Tage später besucht die ganze Gruppe nochmals die Stadtverwaltung, wo man nun schon für unseren Besuch besser gerüstet ist. Man nimmt das Ansinnen, eine Städtepartnerschaft zu begründen, wohlwollend auf, es entsteht sogar eine fast herzliche Atmosphäre.
Damit sich die Mitglieder der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft etwas besser kennenlernen, und auch um Hilfe zu leisten bei einem späteren Besuch von Gästen, besucht unser Mitglied, Rektor W. Lorch, mit uns die Martinskirche und erklärt das Deckengemälde (20.05.89). Anschließend treffen wir uns zum gemütlichen Beisammensein in der Gaststätte des ASV. Am 12.06.89 wurde dem Gemeinderat die Gründung einer Städtepartnerschaft mit der Stadt Gatschina empfohlen. Die Kriterien, nach denen die Stadt Gatschina ausgewählt worden
war, waren folgende: Gatschina ist eine russische Stadt. Sie hat etwa doppelt so viele Einwohner wie Ettlingen, was sie strukturmäßig in eine vergleichbare Nähe rückt. Die Infrastruktur ist vergleichbar: Schulen, Musikschule, Kreativzentrum für Erwachsene, Sportvereine u.a. Die Stadt liegt in der Nähe von Leningrad. Von der Bundesrepublik aus fliegen mehrere Gesellschaften Leningrad direkt an. Gatschina liegt ca. 30 Autominuten vom internationalen Flughafen entfernt. Außerdem ist Gatschina auf dem Seeweg (und Landweg) über Finnland gut erreichbar. Zwischen Leningrad und Gatschina besteht sowohl Bus- als auch Zugverbindung.
Der Antrag, die Stadt Gatschina als Partnerstadt auszuwählen, wurde in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 21. Juni 1989 einstimmig angenommen.
Um in den Bemühungen zur raschen Knüpfung einer Partnerschaft mit Gatschina nicht nachzulassen, fliegen vom 13.09.89 bis 17.09.89 der Vorsitzende und ein Vorstandsmitglied nach Leningrad. Bei einem Gespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Stadt Gatschina konnte der Vorsitzende feststellen, dass man von
sowjetischer Seite an einer Partnerschaft sehr interessiert ist. Gegenseitige Besuche werden
verabredet.
Am 10.11.89 nimmt Dr. Dierkesmann an einer Tagung des SSOD (Sowjetische Gesellschaft für Partnerschaftsbeziehungen) in Wilna (Sowjetunion, Litauen) teil. Bei dieser Gelegenheit besucht er unsere künftige Partnerstadt Gatschina bei Leningrad. Er überreicht dem stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkommitees der Stadt Gatschina ein großformatiges Foto (Poster), das das Schloss von Gatschina zeigt: Das Besondere daran ist, dass es sich hier um die Abbildung einer äußerst kostbaren Goldschmiedearbeit handelt, ein sogenanntes Fabergé-Ei. (Die Deutsch-Sowjetische Gesellschaft organisiert am 29. und 30. Juli 89 eine Zweitagesfahrt nach Bremen, zum Besuch der Ausstellung „Das Gold aus dem Kreml – Die Geschichte der russischen Goldschmiedekunst“, wo ähnliche Kunstwerke von Fabergé gezeigt wurden). Besitzer dieses Fabergé-Eies mit dem Miniatur-Schloss von Gatschina ist das Museum von Baltimore, USA. Nach langem Suchen konnte eine gute Abbildung gefunden werden. Die Stadtväter von Gatschina hatten keine Ahnung von der Existenz dieses Schmuckstücks und zeigten sich zugleich überrascht und erfreut. Zweck des Besuchs war allerdings, den Partnerschaftsgedanken in Gatschina aufrechtzuerhalten und zu schüren, besonders im Hinblick auf die zum ersten Mal dort stattfindenden freien Wahlen.
Im Programmteil „Die Sowjetunion zu Gast“ hat die Volkshochschule für ihre Hörer, besonders aus Reihen der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft, mehrere Veranstaltungen durchgeführt: Am 5.10.89 tritt das Moskauer Künstlertheater im Rittersaal mit einer szenischen Umsetzung von Liedern, Gedichten, Prosatexten zum Leben des Sergej Jessenin auf. Der Moskauer Schriftsteller Vjaceslav Kuprianov liest am 7.11.90 aus seinen Werken und spricht über die Situation der sowjetischen Literatur. Am 21.11.89 spielt das Georgische Streichquartett aus Tiflis Werke von Gabunia, Schubert und Schostakowitsch und am 10. Dezember hält Dr. Wolf-Dieter Albert einen Lichtbildervortrag über die Schlösser in Leningrad und Umgebung.

Um möglichst vielen Mitgliedern der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft die Möglichkeit eines Besuchs in der zukünftigen Partnerstadt, zu geben, werden zwei weitere Reisen nach Leningrad durchgeführt: vom 04.02. bis 11.02.90 und vom 27.05. bis 07.06.90. Beide Reisen erfreuen sich eines großen Zuspruchs, viele Mitglieder und Freunde der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft nutzen die Gelegenheit und besuchen die faszinierende Stadt Leningrad und nehmen erste Kontakte zu den Bewohnern von Gatschina auf.

Bei der Mitgliederversammlung vom 30.03.90 steht eine Neuwahl für den Vorstand an. Der Vorstand wird zwar auf zwei Jahre gewählt, aber durch den Tod des stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Camill Siegwarth, Bürgermeister a. D., rückt der Beisitzer Eugen Faas an dessen Stelle auf, neuer Beisitzer wird Ralf Degner.
Mit dem Rundschreiben zu dieser Versammlung wird zu einem Stammtisch geladen, der an jedem letzten Freitag im Monat ca. 18 Uhr stattfinden soll. Man hat sich inzwischen darauf geeinigt, sich im Grünen Hof zu treffen.

Am Freitag, 13.Juli 1990 beschließt die Mitgliederversammlung eine Namensänderung. Fortan nennt sich die Gesellschaft Deutsch-Russische Gesellschaft Ettlingen e. V.

Ebenfalls wird die erstmalige Teilnahme am Ettlinger Marktfest, am 8. und 9. September 1990 beschlossen. Da ein recht guter Gewinn erzielt werden konnte, wird sich die Deutsch-Russische Gesellschaft auch im nächsten Jahr am Marktfest beteiligen .

Eugen Faas, 17.10.1990

Wolfgang Lorch: Gedanken zum Überfall auf die Sowjetunion

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